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Was ist Soziologie?

Soziologie ist eine im 19. Jahrhundert entwickelte Wissenschaftsdisziplin, deren Ziel die Erklärung gesellschaftlicher Prozesse ist. In einer berühmten Definition sagt Max Weber: „Soziologie … soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. … ‚Soziales‘ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“

In der Soziologie wird also über eine Zerlegung sozialer Prozesse in sinnhafte Einzelelemente (in Form von Handlungen) versucht Erklärungen und Deutungen von gesellschaftlichen Strukturen zu gewinnen. Der Begriff „sozial“ im Begriff der sozialen Handlung ist anders als im Alltagssprachgebrauch nicht mit einer Wertung versehen, es geht nur um das Zusammenwirken, manchmal das Zusammenarbeiten von Akteuren. Auch Folterer ebenso wie eine Vereinigung von Heiligen und eine Internet-Community würden im Sinne dieser Definition „sozial“ handeln. Ein zweites Hauptkonzept der Soziologie neben dem Begriff der Handlung sind Institutionen. Gesellschaften haben häufig soziale Gebilde, sog. Institutionen, errichtet, die über Normen, Werte und Sanktionen Regelmäßigkeiten des Handelns erzeugen. Meist wird ihre Geltung über längere historische Zeiträume von weiten Teilen einer Gesellschaft anerkannt, indem diesen Regeln bewusst oder unbewusst gefolgt wird.

Bei der Soziologie handelt es sich um eine empirische Wissenschaft, die über methodisch kontrollierte Beobachtungen wahre Aussagen über Regelmäßigkeiten und Wahrscheinlichkeiten sozialer Prozesse gewinnen möchte. Da Menschen in ihrem Handeln frei sind (anders als bloße physikalische Körper), haben die meisten allgemeinen Zusammenhänge von empirischen Regelmäßigkeiten, die in der Soziologie gefunden worden sind, eine probabilistische Natur, d.h. ihr Auftreten ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, aber nicht zwangsläufig vorherzusagen. Statistische Methoden spielen deshalb bei den quantitativen Forschungsmethoden der Soziologie eine wichtige Rolle. Da Menschen (anders als bloße physikalische Körper) auch über ihre Handlungen und ihre Zielvorstellungen berichten können, sind in der Methodologie der Soziologie auch sinnverstehende Interpretationsverfahren wichtig.

Ein knappes Beispiel soll das Vorgehen der Soziologie erläutern: Nach der Wende kam es zu einem Rückgang der Geburtenrate in Ostdeutschland. Warum? Empirische Untersuchungen zeigen durch eine Rekonstruktion der Handlungsmotive, dass eine andere gesellschaftliche Verknüpfung von Institutionen (Erwerbssystem, Familie) für eine differente Handlungslogik sorgte: Anders als zu DDR-Zeiten ist es beispielsweise riskanter für den Erwerbsverlauf, Kinder während des Studiums oder zu Beginn der Erwerbskarriere zu bekommen. Da viele Menschen gleichzeitig ihre Handlungsausrichtungen verändert haben, erfolgten nach der Wende in einem späteren Lebensalter Familiengründungen, die Geburtenrate sank deshalb schlagartig und steigt erst allmählich wieder an. Der Rückgang der Geburtenrate hat wiederum Folgen für viele gesellschaftliche Funktionsbereiche. Welche Folgen genau dies haben wird, ist Gegenstand von zukünftigen Forschungsvorhaben (auch neuer Studierendengenerationen)…

Da der Gegenstandsbereich der Soziologie die Gesellschaft ist, gibt es eine Vielzahl von konkreten Untersuchungs- und Praxisfeldern: Soziologie der Arbeit, der Familie, der Organisation, der Hochschule, der Kriminalität, der Stadt, der Bildung, der Architektur, des Geschlechts, der Sozialstruktur, des Sports, der Freizeit, der Werbung, der Jugend, des Alters, der Umwelt, der Werte, politische Soziologie, Wirtschaftssoziologie, Lebenslaufsoziologie, usw. Diese verschiedenen „speziellen Soziologien“ werden verbunden über allgemeine soziologische Theorien und soziologische Methoden, die in den verschiedenen Teilbereichen Anwendung finden.

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