C_04: Wandel von Infrastrukturen und Gesellschaftlicher Zusammenhalt (WinGZ)
Das Arbeitspaket nimmt die Forschungsbefunde zu infrastructural power (Mann 1984) zum Ausgangspunkt für eine multidisziplinäre und -methodische Erforschung lokaler und regionaler Infrastrukturen, ihres (wahrgenommenen) Wandels und ihrer rechtlichen Ermöglichungsstrukturen. Das Arbeitspaket fokussiert dabei einerseits Prozesse der „De-Infrastrukturalisierung“ (Kersten, Neu, Vogel 2012) bezüglich materieller und providentieller (Neckel 2022) Infrastrukturen „von oben“ und ihrer Auswirkungen auf den Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Andererseits untersucht es in einer Begleitforschung anhand von Infrastrukturgenossenschaften (mit Schwerpunkt Energie- und Bürgergenossenschaften), wie Infrastrukturen „von unten“ entstehen und welchen Beitrag Genossenschaften durch ihren kooperativen und partizipativen Ansatz leisten können, Konflikte zu minimieren und zugleich die regionale Resilienz zu stärken.
Im Rahmen der sozialökologischen Transformation werden Infrastrukturen wie die Energieversorgung, Verkehr und Wohnungsbau verstärkt Gegenstand von Verteilungskonflikten, auf nationaler wie kommunaler Ebene, mit verschiedenen Institutionen und Akteur:innen und deren unterschiedlichen Handlungs- und Gestaltungsfähigkeiten. Gerade die Kommunen stehen vor großen Herausforderungen und die anstehenden Veränderungen stoßen nicht selten auf den Widerstand der Einwohner:innen, da sie mit z.T. hohen Kostenbelastungen und Änderungen der Lebensgewohnheiten verbunden sind. Dabei sind Infrastrukturen als ein „kollektives Unterbewusstes“ zu verstehen (van Laak 2020), das nur im Falle des Fehlens fassbar wird und seine verschleierte Genese offenbart: „Infrastrukturen [sind] nicht allein technische, sondern ebenso sehr soziale, kulturelle und politische Hervorbringungen.“ (ibid.) und als solche integral für social citizenship (Marshall 1950) denn „ [Infrastructural supports] enable [the state] to regulate, normatively and by force, a given set of social and territorial relations, and to erect boundaries against the outside.” (Mann 1984; Hervorhebung im Original)
Während der (un-)freiwillige Rückbau staatlich bzw. kommunal bereitgestellter Infrastrukturen daher als ein Rückbau von Herrschafts- wie Integrationsinstrumenten (Bourdieu 2014) verstanden werden muss, können etwa Energiegenossenschaften, an denen Bürger:innen und Kommunen beteiligt sind, Car-Sharing, Co-Working-Spaces und (nachhaltige) Wohnungsgenossenschaften (u.a. im Sinne des Projekts Neues Europäisches Bauhaus) eine Möglichkeit darstellen, Gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erzeugen, statt ihn durch Nutzungsrivalitäten zu gefährden (Kluth 2017, 2019). Das zeigt sich auch in der Forschung zu Zusammenhaltserinnerungen (Hartl 2022), da der Zusammenhalt gerade in der Bereitstellung – aber auch der Bekämpfung – von Infrastrukturen als kollektive Wirksamkeit unmittelbar erlebt wird.
Das Arbeitspaket produziert theoretische, empirische, und Transfererträge. So werden sowohl die rechtlichen als auch die engagementbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für die Gründung und die Arbeit von solchen Genossenschaften erforscht, die zum Wissenstransfer über diesen Weg beigetragen. Speziell wird dabei auch auf die Rolle von sogenannten Dachgenossenschaften eingegangen, die die Gründung und die Arbeit vor allem von kleineren Genossenschaften durch Expert:innenwissen unterstützen. Zugleich werden über neue Fragebogenmodule im Regionalpanel kleinräumig georeferenzierte Surveydaten zur Wahrnehmung und Akzeptanz infrastrukturellen Wandels generiert, die in Verbindung mit den Daten der ersten zwei Wellen und unter Einbeziehung sozialstatistischer und anderer administrativer Kontextdaten ausgewertet werden, wobei auch offene Fragen zu Veränderungen der Infrastrukturen gestellt und mittels Topic-Modelling (Papilloud & Hinneburg 2018) analysiert werden. Diese Daten werden durch ein qualitatives Forschungsvorhaben komplementiert, das aktuelle Infrastrukturarrangements an den Untersuchungsorten des Regionalpanels untersucht. Diese Befunde fließen schließlich in die Theoriebildung zum Wandel infrastruktureller Macht ein.
Team
Projektverantwortliche: Dr. Jakob Hartl, Prof. Winfried Kluth
Mitarbeiter*innen: Ina Mayer, Alena Rathke
Laufzeit
Juni 2024 bis Mai 2029