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Die Rolle der Betriebe für regionale Lohnungleichheit und Mobilität

Ein deutlich sichtbares Zeichen für eine zunehmende ökonomische Spaltung der Gesellschaft ist die seit den 1980er Jahren zunehmende Lohnungleichheit. Eine wichtige und bislang kaum erforschte Frage ist, inwieweit zunehmende betriebliche Lohnungleichheit und zunehmende betriebliche Segregation von Arbeitnehmern zu einem Anstieg regionaler Disparitäten (Ost-West, Stadt-Land) führen und dadurch ganze Landstriche dauerhaft abgehängt werden. Zudem wurde in bisherigen Studien zumeist Ungleichheit zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht und daher oft nicht berücksichtigt, dass Menschen innerhalb der Lohnverteilung über die Zeit auf- und absteigen können. Das Teilprojekt wird mit seinen Analysen einen essentiellen Beitrag zum Cluster 2 des FGZ liefern, weil es zwei zentrale Fragen, die nach der Bedeutung zunehmender Lohnungleichheit und deren Manifestierung in regionalen Ungleichheitsdynamiken, quantitativ genau analysieren kann, und damit zu einem Verständnis der ökonomischen Prozesse, die Kohäsion gefährden, beitragen kann. Die in diesem Teilprojekt ermittelten ökonomischen Ungleichheiten sind eine Grundlage für die in Teilprojekt HAL_F_05 qualitativ untersuchten Konsequenzen derartiger Arbeitsplatzierungen für den sozialen Zusammenhalt.

Für dieses empirische Projekt werden Personen- und Betriebsdaten der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit genutzt. Der Datenzugang erfolgt über das dortige Forschungsdatenzentrum oder im Rahmen bestehender Kooperationen mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Grundlage für die Bearbeitung der oben genannten Forschungsfragen sind sogenannte Two-way fixed-effects Schätzungen, die es erlauben, unter bestimmten Annahmen betriebs- und personenspezifische Lohnkomponenten voneinander zu trennen.

Wichtige Meilensteine für das dreijährige Teilprojekt sind die zu erfolgende Aufbereitung der Datensätze bis zum September 2021 und die Publikation der Ergebnisse der verschiedenen Analyseschritte in drei Fachaufsätzen in 2022 und 2023.

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Auch wenn Strukturwandel, technologischer Fortschritt und zunehmender Freihandel den Wohlstand in einer Gesellschaft insgesamt mehren, verursachen diese Prozesse Anpassungslasten und produzieren somit neben Gewinnern auch viele Verlierer. Erste Studien zeigen, dass diese Prozesse Regionen in unterschiedlicher Weise treffen, dass in stark betroffenen Regionen die gesellschaftliche Polarisierung besonders stark zunimmt und dass dies oftmals mit einer Zunahme der Stimmenanteile für nationalistische und rechtsextreme Parteien zusammenfällt.

Der Zusammenhalt einer Gesellschaft ist gefährdet, wenn sich soziale Milieus und die Zugehörigkeit zu bestimmten Einkommensschichten verfestigen. Regionale Disparitäten scheinen in diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen, jedoch sind die Determinanten regionaler Lohnunterschiede und selektiver Abwanderung bislang nicht hinreichend erforscht. Eine Spaltung entlang betrieblicher und räumlicher Merkmale ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft vor allem dann problematisch, wenn Personen immer seltener zwischen beiden Welten wechseln (können). Es dürfte nicht verwundern, wenn gerade sinkende Aufstiegschancen zu Perspektivlosigkeit und Ablehnung der bestehenden Gesellschaftsordnung führen, zumal dann, wenn sie nicht als persönliches, selbstverantwortetes Scheitern, sondern als Schicksal ganzer Landstriche erfahren werden. Dieses Teilprojekt stellt den Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt über Anpassungsprozesse und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt her und fokussiert dabei auf zwischenbetriebliche und regionale Aspekte.

Das Projekt bezieht sich damit auf die sozio-ökonomische Dimension des gesellschaftlichen Zusammenhalts und leistet einen empirisch-analytischen Beitrag zu der Frage, inwieweit sich soziale beziehungsweise ökonomische Ungleichheit und Mobilität in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Verschiedene Studien zeigen, dass die Lohn- und Einkommensungleichheit deutlich gestiegen ist und die -mobilität abgenommen hat. Diese Entwicklungen, deren räumliche Dimension bisher kaum erforscht ist, dürften eine nicht unerhebliche Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellen.

Team

Projektverantwortlicher: Steffen Müller

Projektmitarbeiter: Nils Torben Hollandt

Laufzeit

06/2020–05/2023

Publikationen (Auswahl)

Hirsch, Boris; Müller, Steffen (2020): Firm Wage Premia, Industrial Relations, and Rent Sharing in Germany, in: Industrial and Labor Relations Review, im Erscheinen.

Müller, Steffen; Stegmaier, Jens (2019): Why is there resistance to works councils in Germany? An economic perspective, in: Economic and Industrial Democracy, im Erscheinen.

Müller, Steffen; Neubäumer, Renate (2018): Size of Training Firms and Cumulated Long-run Unemployment Exposure  - The Role of Firms, Luck, and Ability in Young Workers' Careers, in: International Journal of Manpower 39:5, S. 658-673.

Yi, Moises; Müller, Steffen; Stegmaier, Jens (2017): Transferability of Skills across Sectors and Heterogeneous Displacement Costs, in: American Economic Review 107:5, S. 332-336.

Müller, Steffen; Riphahn, Regina; Schwientek, Caroline (2017): Paternal unemployment during childhood: causal effects on youth worklessness and educational attainment, in: Oxford Economic Papers 69:1, S. 213-238.

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